Auf Messers Schneide steht so einiges in der Schanze. Wie lange schafft es Hamburgs Szene-Viertel sich seinen ursprünglichen Charme zu bewahren – den Spagat zwischen Trends und Traditionen.

 

Wir besuchen eines der letzten Urgesteine der Schanze und dürfen mit Friedrich Jürges eine kleine Zeitreise machen.

Bereits die Öffnungszeiten 7:00-17:00 lassen erkennen, dass es sich hier nicht um einen hippen Treffpunkt für Hobbyköche handelt.

Etwas nüchtern steht es über der Tür: Fleischereigeräte – Messer - Schleiferei, dies ist seit 1919 ein Fachbetrieb für Fleischverarbeiter und wurstproduzierenden Betriebe.

Friedrich Jürges ist in dem Betrieb seines Vaters, den dieser bereits von seinem Vater übernahm, groß geworden. Gleich ums Eck in der Ludwigstraße ist er zur Schule gegangen und machte hier im Geschäft am Nachmittag hinterm Tresen seine Hausaufgaben. Da lag es nahe, dass er – in Weiser Voraussicht seiner Eltern ebenfalls Friedrich getauft – in die Stapfen seines Vaters und Großvaters trat. 

Friedrich Jürges Phantasie-Wesen geschärftes Messer Schleifmaschinen Funken  sprühen beim Messerschleifen Messer im Karton in Zeitung eingewickelt Messer wird abgezogen Messer wird geschliffen Messer im Karton in Zeitung eingewickelt alte Holzschubladen

 

Die Schanze im Wandel

In den 60er Jahren war die Schanze ein kleinbürgerliches, Arbeiter-Viertel, der Schlachthof mit seinen verbundenen Gewerken ernährte viele Familien.  Es wurde noch täglich geschlachtet und über 1000 Schlachtereien und Zerlegbetriebe waren im Viertel ansässig. In den 80er Jahren kam es mit der Umstrukturierung und letztlich der Schließung der Schlachthöfe zum sozialen Abstieg des Viertels. Eine Vielzahl von Betrieben musste schließen und zogen weg und mit ihnen ihre Arbeiter und Familien.

Der freigewordene günstige Wohnraum wurde schnell von Studenten und der linken Szene Hamburgs übernommen.Mit der Besetzung der Flora 1989 wurde die Schanze für die nächsten Jahrzehnte zu einem der autonomsten Viertel Hamburgs.

Das Geheimnis um die „Farbkleckse“ auf den Schaufensterscheiben

Auch am Geschäft von Friedrich Jürges hat die wilde Zeit der Schanze ihre Spuren hinterlassen. Vegane-Aktivisten verätzten die Schaufensterscheiben mit Säure.

Während sich Jürges noch mit der Versicherung herumärgerte, da diese die Kosten für die neuen Scheiben nicht übernehmen wollte, hatte eine benachbarte Künstlerin aus der Not bereits eine Tugend gemacht. Aus den verätzten Formen entstanden die bunten Fantasiewesen.

Messer der Hobbyköche

Ende der 90er kam der erste Hobbykoch in den Laden – zu der Zeit noch ein echter Kolibri. Doch inzwischen ist die Friedrich Jürges GmbH kein echter Geheimtipp mehr wenn es um Kochmesser und das Schleifen der selbigen geht. Für alle Hobbyköche und solche die es werden wollen hat Herr Jürges natürlich noch so einiges an nützlichem Wissen zu bieten.

Die 3 Messer die in deiner Küche nicht fehlen sollten

Um so richtig professionell los schnippeln und kochen zu können braucht man:

- ein Kocharbeitsmesser

- ein kleines Gemüsemesser

- ein Tranchiermesser

Investieren muss man für eine hochwertige Ausstattung ca. 150,- €.

Damit die Freude an den Messern auch lange hält sollten diese entweder in einem Messerblock oder an einer Magnetleisten aufbewahrt werden, beides Möglichkeiten die auch optisch etwas hermachen. Ebenso gut geschützt und aufbewahrt sind die Messer jedoch auch in doppeltes Zeitungspapier eingeschlagen in der Schublade.

Gut gepflegt können die Messer dann so auch noch ohne weiteres an die nächste Generation Kochwütiger weitergegeben werden.

Japan Messer vs. Deutsches Stahl

Und woher kommt nun das Messer aller Messer: Aus Deutschland oder Japan?

Da hält auch Friedrich Jürges kurz inne und schaut auf die blitzenden Klingen der beiden Prachtexemplare die vor ihm auf dem Tresen liegen.

Deutsche Messer sind unglaublich robust und vielseitig einsetzbar. Das japanische Messer hingegen ist für seine beispiellose Schärfe bekannt. Die Unterschiede liegen insbesondere im unterschiedlichen Schliff. Während das deutsche Messer u-förmig geschliffen wird, ist die besondere Schärfe der japanischen Messer auf den typischen Keilschliff zurückzuführen.

Es ist also eher die Frage wofür man sein Messer verwenden möchte. Zum Sushi schneiden eignet sich natürlich ein japanisches Yanagiba Messer besonders gut, dies sollte dann aber nicht zum gemeinen Gemüse hacken verwendet werden.

Vielseitiger einsetzbar ist da das deutsche Messer mit dem u-förmigen Schliff dieser erhöht die Schnitthaltigkeit und macht das Messer insgesamt unempfindlicher.

Vergleichen kann man die Messer also so gut wie Äpfel und Birnen. Abschließend lässt sich aber vielleicht sagen, dass der deutsche Hobbykoch vermutlich deutsch-europäische Kochgewohnheiten pflegt und dies daher auch beim Kauf seiner Messer berücksichtigen sollte. Wobei der Trend durchaus zum japanischen „Zweit-Messer“ geht.

Messer wetzen

Während Friedrich Jürges und ich uns über den Lauf der Zeit, den Wandel des Viertels, das Aufkommen von Hobbyköchen und den Trend der Japanischen Messer unterhalten, befinden wir uns  in den Verkaufsräumen aus den 60er Jahren. Die Zeit in dem Messerladen in der Schanzenstraße scheint stehen geblieben zu sein. 

Und da liegen sie auch heute noch bereit, die Messer, die darauf warten von Hand, in sieben Arbeitsschritten, für ihren nächsten Einsatz in Hamburgs Groß- und Hobby-Küchen wieder den richtigen Schliff zu bekommen.

Zu guter Letzt noch die Antwort auf die Frage aller Fragen.

Wenn auch ihr regelmäßig mit eurem Partner darüber debattiert ob das gute Messer in die Geschirrspülmaschine darf oder nicht.

Ja, es stimmt! Oder besser: NEIN – ein Messer gehört niemals in den Geschirrspüler! Die große Hitze und die aggressiven Geschirrspülmittel greifen nicht nur den Griff an sondern verändern auch den Stahl.

 

Lieber Friedrich, vielen Dank für die Zeit, das nette Gespräch und die unvergesslichen Einblicke die traditionsreiche Geschichte eures Betriebes.

Nun habe ich endlich meinen Mann soweit, dass auch bei uns die guten Messer von Hand abspült werden. Manchmal braucht es dann eben doch einen Fachbetrieb mit fast 100 Jahren Erfahrung.

 

Fotos: Rebecca Rütten