St. Pauli hat vieles zu bieten. Doch einen Dachgarten auf unserem geliebten Bunker an der Feldstraße – sowas hätte sich vor einiger Zeit noch keiner vorstellen können: Urban-Gardening auf St. Pauli, säen und ernten mit Blick auf das Millerntor. Sogar von Bienen produzierter Stadthonig soll es geben. Das und vieles mehr vereint das Projekt Hilldegarden. Tobias Boeing, Projektleiter des Hilldegardens, klärt uns auf.

 

 

 

1. Der Hilldegarden ist Deutschlands erstes Urban-Gardening-Projekt auf einem Hochbunker. Wie kamt ihr auf die Idee?

 

Der Wunsch, die Natur in die Städte zurückzuholen, wird immer größer. Besonders das Gärtnern erlebt derzeit eine Renaissance. In diesem Geiste und inspiriert von den vielen Gemeinschaftsgärten, die überall entstehen, ist auch die Idee für den Stadtgarten auf dem Bunker entstanden. Wie sich immer wieder herausstellt, ist sie aber keineswegs neu. Neben den nun auch in Deutschland schon relativ etablierten extensiven Dachbegrünungen, kommt mehr und mehr auch der Wunsch nach einer intensiven, grünen und sozialen Nutzung der Dächer, wie sie vor allem in orientalischen Ländern eine lange Tradition hat, bei uns auf. Eine Menge Leute haben uns erzählt, dass Sie bereits ähnliche Ideen für Dächer und auch speziell für den Bunker an der Feldstraße hatten. Darüber hinaus gibt es alleine in Hamburg ein weiteres Projekt, dass sich bereits seit einigen Jahren mit der Anlage eines Gemeinschaftsgarten auf einem anderen Hochbunker beschäftigt.

 

 

2. Eine tolle Idee, einen alten Bunker so Zweck zu entfremden und zu etwas Lebendem, Wachsendem zu verwandeln. Wie kann ich und andere Interessierte der Stadt daran teilnehmen?

 

Wir haben in einem kleinen Baucontainer vor dem Bunker an der Feldstraße die "Hilldegarden Ideenzentrale" eingerichtet. Sie ist nicht nur Anlaufpunkt für alle Interessierten, sondern auch Treffpunkt unserer mittlerweile über 40 Aktiven, die in fünf thematischen Arbeitsgruppen die unterschiedlichsten Ideen für ein ganzheitliches Gartenkonzept ausarbeiten. Die Öffnungszeiten des Containers, sowie weitere Infos und Kontakte zu den AG´s sind online unter www.hilldegarden.org zu finden. Wir sind gerade dabei eine neue Onlineplattform zu erstellen, auf der man dann auch die Ideen bewerten können soll.

 

 

3. Welche Art von Pflanzen/Anbau und Gemüse/Obst wird man im Hilldegarden ernten können? 

 

Verschiedene Experten haben uns versichert, dass sich bei entsprechender Planung und Pflege auf dem Dach nahezu alles anpflanzen lässt, was auch im Vorgarten eines jeden anderen Hauses wachsen würde. Die bisher gesammelten Ideen reichen von einem japanischen Zen-Garten bis zu den verschiedensten Nutzgarten-Konzepten für den gemeinschaftlichen Anbau von Obst und Gemüse.

 

 

4. Sind auch weitere Kooperationen in Zusammenhang mit dem Hilldegarden geplant, z.B. ein Bienenvolk dort anzusiedeln um Stadthonig zu produzieren oder Gärtner-Workshops anzubieten?

 

Tatsächlich haben wir bereits einen Imker in unserer AG Außenflächen, der sich ganz konkrete Gedanken in diese Richtung macht. Sowohl der Bildungscharakter als auch die die Idee, ein Pilotprojekt zum Nachmachen zu schaffen, gehören zu den zentralen Zielen von Hilldegarden. Auch für die 500qm mietfreien Stadteilflächen im Innern des Aufbaus gibt es erste Gespräche mit verschiedenen Kooperationspartnern aus dem Kultur- und Sozialbereich.

 

 

5. Wird das Projekt von der Stadt oder von anderer Hand gefördert? Hat das auch Auswirkungen auf die Gestaltung des Stadtgartens?

 

Die Kosten des Projekts Hilldegarden, des gesamten Dachgarten-Aufbaus sowie der zukünftige Unterhalt der begrünten Fassade und der über 5500 qm öffentlichen Grünfläche werden komplett durch den erbbauberechtigen Pächter Prof. Dr. Thomas C. Matzen getragen. Das ist zunächst einmal eine Förderung, die so Ihresgleichen sucht. Nichtsdestotrotz gilt es aber auch die öffentliche Zugänglichkeit und die am Gemeinwohl orientierte Ausrichtung der Flächen langfristig abzusichern. Dazu suchen wir derzeit nach einer geeigneten Rechtsform für Hilldegarden.

 

 

6. Neben dem Stadtgarten sind noch weitere Projekte geplant, wie z.B. der Ausbau von Musikklubs und Filmstudios, sowie ein Künstlergästehaus im Innern des Hilldegardens. Dies könnte bei einem kritischen Hamburger den Zweifel aufkommen lassen, dass hinter dem Urban-Gardening-Projekt auch ein großer kommerzieller Nutzen steckt. Welche Argumente sprechen dagegen? Wie könnt ihr diese Gedanken entkräften?

 

Hilldegarden ist ausschließlich gemeinwohlorientiert und nicht kommerziell.  Um die Finanzierung und den Unterhalt der insgesamt über 8000qm öffentlichen Flächen für Hilldegarden langfristig sicherzustellen, entstehen im Innern des Aufbaus etwa die gleiche Menge an Mietflächen. Anhand des bestehenden kleinteiligen und kulturnahen Nutzungskonzepts, das den Bunker heute ausmacht, hat der Erbpächter aber durchaus bewiesen, dass er auch nach über zwanzig Jahren den Bezug zu dem Ort, an dem der Bunker steht, nicht vergessen hat. Dieses Konzept ist auch die Maxime für die Nutzung der neuen Flächen. Keine Ketten und Konzerne, sondern möglichst viele lokale Akteure.

 

 

7. Werden auch andere Urban-Gardening-Projekte Hamburgs, wie beispielsweise Keimzelle oder Gartendeck in die Planung des Hilldegarden miteinbezogen?

 

Die Akteure der Urban-Gardening-Szene in den angrenzenden Vierteln wurden seit der ersten Projektvorstellung mehrfach eingeladen, sich an der Gestaltung und Nutzung der Außenflächen zu beteiligen. Dieses Angebot besteht nach wie vor, wurde allerdings bisher nicht wahrgenommen.

 

 

8. Der Luftschutzbunker St. Paulis hat eine geschichtsträchtige Rolle im Hamburger Stadtbild und verkörpert eines der bekanntesten Kriegsmahnmale und Gedenkstätte der Hamburger Stadtgeschichte. In wie weit wird der Hilldegarden diese Stellung des Bunkers beeinflussen? 

 

In der Tat ist der Flakturm IV auf St. Pauli ein gewaltiges Zeugnis eines sehr dunklen Kapitels unserer Geschichte. Die Zeitzeugenberichte und Dokumente, die von den Aktiven unserer Arbeitsgruppe Mahn- und Gedenkstätte zusammengetragen werden, zeugen von den schrecklichen Umständen, unter denen der Bunker unter anderem von Zwangsarbeitern gebaut und später von Schutzsuchenden genutzt wurde. Unser Ziel ist es, die Geschichte in einer permanenten Ausstellung zu dokumentieren und eine längst überfällige Gedenkstätte zu schaffen.

 

 

9. Nun plant ihr schon seit längerer Zeit am Hilldegarden. Gibt es denn schon einen Stichtag, an dem wir die Einweihung des Dachgartens feiern können?

 

Bis Ende August wollen wir ein realistisches und an einem breiten Konsens ausgerichtetes Konzept für die Hilldegarden-Flächen zusammengetragen haben, dass wir dann dem Planungsbüro Bunker und den jeweiligen Fachplanern zur Realisierung übergeben werden. Folgt man deren Optimismus, könnten bereits 2017 die ersten Gartenarbeiten beginnen. Aber zunächst sollten wir die Genehmigung des Bauantrags abwarten, der im Laufe des Sommers eingereicht wird.

 
bunker_unten2_neu.jpegBild: Planungsbüro Bunker, Hamburg